Das Erwachen (und vor allem aufstehen) am nächsten Morgen in Mammoth Lake war nun ja, schwerer als sonst. Die gestrige Fahrt und das noch spürbare Jetlag waren definitiv noch vorhanden. Obwohl es einige Minuten brauchte, kamen wir doch in die Gänge und machten uns startklar für den kommenden Tag und das nahm etwas mehr Zeit in Anspruch als es in San Francisco in Anspruch genommen hatte, da es im Yosemite Park nicht viele Möglichkeiten gibt um zu essen oder um Lebensmittel zu kaufen.

Der June Lake als Einstimmung
Der June Lake war die erste Destination, die wir beim heutigen Trip durch den Yosemite Park ansteuerten. Wir sind von Mammoth Lake aus auf der Route 120 gefahren (Link zur Strecke) und kamen ca. nach 40 Minuten an. Beim June Lake war eine kleine Gastwirtschaft und beim See standen zwei Männer. Wir nährten uns dem See und bestaunten das glasklare blaue Wasser und erfreuten uns sehr die tiefe Stille, die dieser Ort extrem stark ausstrahlt, zu geniessen (vor allem nach der langen Fahrt und den zwei Tagen in San Francisco eine willkommene Abwechslung). Die Männer, die uns höflich begrüssten fingen nach einigen Minuten an mit uns zu sprechen. Sie erklärten uns, dass der Vogel, der gerade oberhalb des Sees kreiste auf der Suche nach Beute war, sprich Fische. Auch bei dieser Begegnung fiel mir erneut auf, wie unheimlich freundlich die Amerikaner sind. Es stellt sich zwar die Frage wie wahrhaftig echt ihre Freundlichkeit ist aber für ein Tourist dennoch eine sehr angenehme Tatsache. Wir machten einige Fotos genossen den Moment und fuhren dann weiter. Die Fahrt an sich von Mammoth Lake bis zu den Eingangstoren des Yosemite Parks war von einer einzigartigen Schönheit geprägt (siehe dazu auch Tag 16 und 17), denn man sah soweit das Auge reicht kahle Bergspitzen, hohe Nadelbäume und klare Bergseen. Die Landschaft war so schön, dass ich Mike mehrmals fragen musste ob er sich denn sicher sei, dass wir den Yosemite Park nicht bereits schon betreten hätten. Mike hat mir in diesem Zusammenhang sogar einen riesigen Gefallen (und ein grosses Geschenk gleichwohl) gemacht und zwar ist er den ganzen Tag gefahren damit ich die wunderschöne Landschaft bestaunen konnte ohne mich auf die Strasse konzentrieren zu müssen. Ich habe während der Fahrt fantastische Landschaften gesehen und bin ihm hierfür sehr verbunden und dankbar.

Die Fahrt Richtung Yosemite dauerte zwar an, aber wir mussten dringend unser Auto tanken. Durch die gestrige Fahrt von über 400km fuhr unser Auto inzwischen auf der Reserve (trotz Hybrid). An dieser Stelle ist es auch wichtig zu erwähnen, dass es im Nationalpark selber knapp eine Handvoll Tankstellen hat und sehr teuer ausfallen. Es empfiehlt sich unmittelbar bei den Ein- und Ausgänge des Parks zu tanken.

Half Dome, der halbe König
Nach einer Fahrzeit von 90 Minuten kamen wir beim Tioga Pass an. Wir konnten nach kurzer Zeit bereits bei der Park-Rangerin am Eingang das siebentägige Ticket für 30$ (sehr fair!) kaufen und unterhielten uns auch hier mit der sehr netten Rangerin, die uns das Ticket aushändigte. Sie fand es lustig, dass die Dollar Banknoten so brandneu waren und wir beteuerten ihr, wir hätten sie extra aus der Schweiz mitgenommen. Sie erzählte uns direkt, dass heute sehr viele Schweizer den Park besuchten und fragte ob in der Schweiz jetzt Ferienzeit sei.
Eine der ersten Berge, die wir auf unserem Trip gesehen haben war der Half Dome. Wir haben ihn sogar eher zufällig entdeckt und haben daraufhin kurzerhand an einem Strassenrand mit Parkmöglichkeiten angehalten und diesen etwas halb kugelförmigen Berg fotografiert. Wir spekulierten ebenfalls darüber, weshalb den der Half Dome auf einer Seite so abrupt abgeschnitten sei. Ich plädierte auf ein Erdbeben und Mike auf das natürliche entstehen aufgrund eines Gletschers (laut Wikipedia entstand die steile Bergwand aufgrund eines Gletschers). Es besteht übrigens fast auf allen Strecken im Yosemite Park die Möglichkeit kurz anzuhalten um Fotos zu machen oder einfach die herrlichen Weiten zu geniessen.

Der Käpten El Capitan
Der berüchtigtste (und bekannteste) Berg des Yosemite Park ist der El Capitan. Er war schon von weiter Ferne zu sehen und dieser mächtige, fast kolossaler Berg zog meine ganze Aufmerksamkeit auf sich. Ich sah ihn vor mir, ich so winzig klein und er so mächtig und weise. Ich stellte mir die Frage wie viele Menschen und Zivilisationen dieser Berg bereits gesehen hat und das ich nach wochenlanger Planung und tausend Gedanken im Zusammenhang mit unserem Trip durch Kalifornien nun endlich auch vor ihm stehen darf und diese ungebändigte Natur bestaunen darf.
Das Landschaftsbild beim Tunnel View
Der nächste Halt haben wir beim Tunnel View (Karte) gemacht. Dieser befindet sich beim Yosemite Loop, wo die meisten Sehenswürdigkeiten sind. Da es der bekannteste Viewpoint im Park ist, ist er sehr überlaufen und deshalb hat immer sehr sehr viele Leute, Autos und Busse. Es ist der bekannteste Viewpoint, weil von hier aus El Capitan, der Half Dome, das wunderschöne Tal von Yosemite und die Wasserfälle auf einen Blick bestaunt werden kann. Wer «Yosemite» bereits mal bei den Google-Bilder gesucht hat, hat mindestens ein Foto von dieserm Punkt aus gesehen. Wir hatten mit den Yosemite Falls übrigens leider nicht sehr Glück. Die meisten waren trocken oder es plätscherte sehr wenig Wasser die Klippen hinunter. Es ist bei den Wasserfällen im Yosemite Park so, dass sie ihre Fülle besonders durch das Schmelzwasser der Gletscher bekommen und dies geschieht letztendlich im Frühling und Frühsommer (Juni ist beispielsweise perfekt). Da wir nun jedoch Spätsommer sind, kommen wir nicht mehr in den Genuss die Wasserfälle in ihrer vollen Pracht zu bestaunen.

Es ging nach einigen Fotos und viele innigen Momente mit der Natur weiter und wir stiegen wieder ins Auto. Die Richtung: Glacier Point. Der Glacier Point ist der höchste Aussichtspunkt im Park, welcher man mit dem Auto erreichen kann. Die Strasse führt vom Tunnel View durch den besagten Tunnel zum Glacier Point (der Weg ist gut beschrieben und dauert gut 44 Minuten bei ca. 38km). Auf dieser Strecke sieht man auch was die Waldbrände im 2018 angerichtet haben. Die Bäume sind kahl und verkohlt. Man könnte hier den fälschlichen Trugschluss ziehen, dass die Brände in Kalifornien (in diesem Fall im Yosemite Park) möglicherweise aufgrund der Erderwärmung und somit steigender Trockenheit stattfinden, dies ist jedoch nicht so. Feuer und Rauch gehören zum Nationalpark wie die Wasserfälle und die Granitkolosse. Des Weiteren können sich einige Baumarten nur durch einen Brand fortpflanzen, um so den Erhalt der Spezies zu sichern. Der Weg zum Glacier Point ist im Vergleich zum Rest der Strasse sehr kurvig. Der tatsächliche Glacier Point kann letztendlich dann nur mit einigen hundert Meter zu Fuss erreicht werden. Aber die Sicht vom Aussichtspunkt, welcher bereits mit dem Auto erreicht werden kann, ist ebenso fantastisch.

Der Grizzly Giant
Wir kamen zwar bei diesem gigantischen Panorama nicht mehr aus dem Staunen raus. Aber wir mussten unbedingt weiter, da es bald dunkel wurde und ich noch die bekannten Sequoias Bäume (Mammutbäume) sehen möchte und dies im Dunkel trotz ihrer Grösse eher ein schwieriges Unterfangen ist. Wir stiegen wieder ein und fuhren Richtung Mariposa Grove (auch hier wieder die Karte). Mariposa ist am südlichen Ausgang resp. Eingang des Parks und es macht Sinn, wenn man von San Francisco kommt wie wir und nach Los Angeles möchte (liegt immerhin im Süden Kalifornierns), um die Sequoias am Schluss zu besichtigen. Auf die Planung ist stets zu achten, da man sonst diese grossen Stecker unnötig hin und her fährt und dies dauert gerne mal eine Stunde. Wir kamen um 18:30 bei den Parkplätzen an, wo man auf einen Bus umsteigen muss. Wir hatten Glück, denn um 18:30 fuhr direkt der letzte Bus zu den Sequoia Bäume. Die Fahrtzeit beträgt ca. 10 Minuten und an der Endstation angekommen führt eine präparierter Wanderweg durch den Wald. Zur Option stehen mehrerer beschilderte Routen. Bitte habt bei einem Besuch Respekt vor der Natur und benutzt einschliesslich diese Wege! Wir entschieden uns, den Grizzly Giant anzusehen. Auf dem Weg sieht man die sanftmütige Natur, Nadelbäume, junge Sequoias und wenn man Glück hat auch süsse Eichhörnchen, die durch den Wald huschen, auf der Suche nach Nahrung. Ich fragte Mike auf dem 30 minütigen Gehweg zum Grizzly Giant bei jedem Sequoia ob das endlich der berüchtigte Grizzly Giant sei. Er beteuerte mir mehrmals, dass wenn ich vor ihm stehe das definitiv merken werde. Und da hatte er völlig recht. Er war gigantisch, mächtig und atemberaubend. Der riesige Baumstamm, die Höhe, die Äste so gross wie bei uns ganze Bäume und der rote Schimmer der Baumrinde. Hinzu kam, dass es 19.00 Uhr wurde und die Sonne langsam unterging. Der Himmel färbte sich blaurosa und die Atmosphäre im Mariposa Grove Wald war somit magisch. Nach einer kurzen Bestaunung des Grizzly Giant wollten wir noch kleines Stück im Wald gehen (was wir im Allgemeinen sehr gerne machen) und spazierten in der Dämmerung, sprachen über die bisherigen Erlebnisse und über die zukünftigen Momente zusammen. Es war ein wahrhaftig vollkommener Moment in diesem Wald und wir fühlten uns beide sehr dankbar, dass genau wir einen solch wunderschönen Tag zusammen verbringen durften. Wir liefen nicht den ganzen Wanderweg und nahmen einige Abkürzungen um dann pünktlich wieder an der Busststation zu stehen. Wir durften diesen Bus nicht verpassen, denn es war der letzten und es war inzwischen auch dunkel. Der Mariposa Grove Wald und die Sequoia Bäume waren die letzten Sehenswürdigkeit des Yosemite Park und wir verliessen mit vielen wunderschönen und berührenden Momenten den Nationalpark.

Wir stellten uns letztendlich die Frage, ob wir hier in der unmittelbare Umgebung ein Zimmer nehmen, oder bereits heute Abend den Weg von 5 Stunden Fahrzeit nach LA auf uns nehmen und während der Fahr eine mittels Booking oder Airbnb eine Unterkunft zu sichern. Wir entschieden uns aufgrund der Zeitgewinnung direkt nach LA zu fahren. Auf der Fahrt in Richtung Los Angeles dachte ich über das Erlebte nochmals nach. Ich fühlte mich so unheimlich dankbar, dass ich an einem Ort sein durfte, wo die Natur von selber und ohne Hilfe der Menschen eine solch vollkommene Landschaft erschaffen konnte. Die Grenzenlosigkeit dieser Weiten, die Täler und Landschaftsbilder erschaffen ein wirklich tiefes Gefühl von tiefgründiger Verbundenheit mit der Natur, Zufriedenheit und Dankbarkeit. So gerne ich dieses Gefühl in Worte fassen möchte, es geht nicht. Ich rate jedoch jedem, dass er in seinem Leben die Möglichkeit in Angriff nehmen soll ein solches Gefühl verspüren zu dürfen. Die Fahrt in Richtung Süden offenbarte mir gedanklich ebenfalls was für ein besonderer Tag ich heute erleben durfte. Ich durfte an einen magischen Ort sein, wunderschöne Landschaftsbilder bestaunen und das alles durfte ich mit einem sehr besonderen Menschen teilen, welcher mir ermöglich hat das alles uneingeschränkt zu erleben. Grazie amore mio ❤️
Wir kamen übrigens und ca. 1.00 Uhr nachts in einem typisch amerikanischen Motel an. In einem Vorort von Los Angeles an und legten uns kurz darauf hin, da wir eine sehr lange (und anstrengende) Autofahrt hinter uns hatten.